Melde Dich für den Newsletter an und erhalte einen 10 € Gutschein!

Die Verlockungen des Kapitalismus

 „WM 74. Als der Fußball modern wurde“: So heißt das Buch von Kay Schiller über die „Neuerfindung des Fußballs“ als „globales Medienevent und lukrative Ware“. Was das mit Zeha zu tun hat. Nur eine kleine, feine Anekdote. Trotzdem ist das Buch in seiner ganzen Kürze (192 Seiten) lesenswert.

Auch wenn es erst 1976 den ersten Sponsoringvertrag gab, den mit Coca-Cola, haben die Sportschuh-Hersteller Adidas und Puma schon 1970 bei der WM in Mexiko mit harten Bandagen um die Brasilianische Fußballnationalmannschaft und deren Superstar Pelé gekämpft. Sogar bei den Schiedsrichtern wurde versucht, sie mit kleinen Geschenken zum Tragen der Schuhe mit den drei Streifen zu bewegen. Rudi Glöckner war einer dieser Schiedsrichter, der erste und bislang einzige Deutsche, der als Schiedsrichter bei einem Endspiel einer Weltmeisterschaft im Einsatz war: Brasilien gegen Italien, 1970 in Mexico City.

Schiller ist Professor of Modern European History an der Universität Durham in Nordengland und Herausgeber der Zeitschrift „Sport in History“. In seinem Buch betrachtet er die WM 1974 vor dem Hintergrund der 1970er Jahre mit Jom-Kippur-Krieg und Ölpreisschock 1973, mit dem berühmt gewordenen Qualifikationsspiel zwischen Chile und der Sowjetunion, dessen Rückspiel, nicht stattfand, weil in Chile die Regierung Salvador Allendes gestürzt und Allende ermordet wurde. Und nicht zuletzt die erste und einzige Begegnung der beiden deutschen Nationalmannschaften während des Kalten Krieges.

In seinem Buch zitiert Schiller den Unparteiischen Glöckner, der in seinem Bericht für den DDR­ Fußballverband hervorhob, den Verlockungen des Kapitalismus widerstanden zu haben:

„Während des Schiedsrichterlehrgangs hat die westdeutsche Schuhfabrik Adidas mit Genehmigung der FIFA allen Schiedsrichtern ein Paar Fußballschuhe und eine Reisetasche übergeben. Einen Tag nach der Übergabe der Schuhe kam der Vertreter von Adidas mit einem vorgedruckten Formular, worin vermerkt war, dass sich die Schiedsrichter verpflichten, während der WM nur diese Schuhe zu benutzen. Die Unterschrift habe ich verweigert. Alle Schiedsrichter erhielten nach der Unterschrift ein Paar Laufschuhe, ich selbst aber nicht. … Zwei Tage vor dem Endspiel kam der Inhaber der Sportschuhfabrik Adidas während des Empfangs der FIFA zu mir und wollte mich überreden, zum Endspiel unbedingt Adidas-Schuhe zu tragen. Dieses Ansinnen wurde selbstverständlich energisch zurückgewiesen.“

Glöckner, schreibt Schiller, trat in Schuhen des DDR-Fabrikats Zeha an. „Deren Markenzeichen waren zwei Doppelstreifen, die in einem Winkel zueinander angeordnet waren.“  Später allerdings, schreibt Schiller weiter, schloss der Deutsche Turn- und Sportbund (DTSB), das ostdeutsche Pendant zum Deutschen Sportbund (DSB), sogar einen »Totalvertrag« mit Adidas ab, und „die drei Streifen wurden zum Markenzeichen der DDR-Sportler, die zu internationalen Wettkämpfen antraten.“

Ein hintergründiges und erhellendes Buch und eine Empfehlung nicht nur für jene, die sich für Fußball interessieren.

Kay Schiller: WM 74. Als der Fußball modern wurde
Berlin: Rotbuch 2014
192 Seiten. 14,95 Euro

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

weiter einkaufen
Der Warenkorb ist leer.